Ich mag diesen rothaarigen Kerl. Auch wenn er gar nicht unser Freund ist. Ich kann mich selbst nur dadurch rechtfertigen, dass dieser Exzentriker, der manche Stufen einer klassischen politischen Karriere übersprungen hat und jetzt die Machtspitze in den USA (und im Grunde in der ganzen Welt) anstrebt, sich noch lange vor dem jüngsten „Super Tuesday" äußerst arrogant und egoistisch verhalten hatte.

Er tat alles, um die Aufmerksamkeit auf sich und sein Vermögen zu ziehen. Natürlich veröffentlichte er mehrere Bücher darüber, wie er Milliardär geworden ist und wie auch alle anderen Milliardäre werden könnten. Ihm zufolge sollte man möglichst viel Trinkgeld geben, und die Menschen, denen sie Trinkgeld geben, würden nach Ihnen streben. Davon könnte man irgendwann profitieren und von diesen Menschen hundert Mal mehr bekommen als man ihnen gegeben hat. Andere Ratschläge in seinen Büchern waren ähnlich.

Als dieser Mann noch nur Geschäftsmann war, entstand der Eindruck, dass er sich selbst gemacht hätte — ganz in Übereinstimmung mit dem Stereotyp des „amerikanischen Traums", und das bedeutete, dass er in erster Linie sich selbst, seine Interessen und Ziele präsentierte, über die er auch teilweise lügen bzw. die er teilweise verschweigen könnte, aber er würde ihnen unbedingt folgen. Und im Allgemeinen waren diese Ziele klar und verständlich.

Menschen, die vor allem sich selbst präsentieren, sind ein nichtwegzudenkendes Element der repräsentativen Demokratie, falls sich diese noch nicht in ein System der latenten Verwaltung über die Menschenmenge verwandelt hat — wenn es immer noch um die Repräsentation geht.

Ein Mensch, der sich selbst nicht vertritt, kann unmöglich jemand anders vertreten. Die Repräsentanz funktioniert erst dann, wenn der jeweilige Vertreter, der seine eigenen Interessen vertritt, gleichzeitig auch ähnliche Interessen anderer Menschen vertritt, die auf seiner Seite stehen. Dieses System funktioniert, auch wenn eher ziemlich schlecht.

Je öfter man die Menschen, die man vertritt, anlügen muss, damit möglichst viele für ihn stimmen, desto schlimmer funktioniert am Ende das System. Letztendlich wird daraus eine Konstruktion, in der als Präsident ein professioneller Prediger handelt, der im Geiste der Zeit sogar dunkelhäutig oder eine Frau (wer hätte sich so etwas einst vorgestellt?) sein kann.

Er bringt nicht sich, sondern gewisse „Werte" voran, sagt nur das, was laut zahlreichen Umfragen die meisten Wähler hören wollen, und gibt sich damit als idealer Delegierter, dem man nichts vorwerfen kann („Das habt Ihr doch selbst gewollt, oder?") und der von jeglicher politischen Verantwortung frei ist. Wenn sich herausstellt, dass sich die Situation ganz anders als zuvor versprochen entwickelt, beruft sich der Prediger auf natürliche Prozesse, auf die „Krise", die von selbst (so ist nun einmal die Marktkonjunktur) ausgebrochen sei, und auf die Hand des „guten alten" Teufels (Russlands).

Dass in das System der allgemeinen verwaltbaren Pseudodemokratie, die sich in den USA schon unter Ronald Reagan etabliert hat, ein Mann geraten will, der vor allem sich selbst vorstellt, ist kennzeichnend und es wert, eingeschätzt zu werden, egal was mit diesem System und mit diesem Mann später passiert.

Trumps Motive verlangen keine komplizierte Rekonstruktion. Er macht kein Hehl daraus, dass er schon verstanden hat: Als Unternehmer kann man „nur" Milliarden verdienen — aber was kann man dafür kaufen? Wenn man aber Billionen verdienen will, dann muss man Politiker werden. Und dafür muss einer von Millionen Menschen geliebt werden — von vielen Millionen Menschen.

Aber wofür kann man geliebt werden? Dafür, dass man Milliardär ist. Denn man verkörpert einen Traum und die Möglichkeit für alle, ebenfalls Milliarden zu verdienen.

Russische Menschen können sich kaum vorstellen, dass so ein Typ für so etwas geliebt werden kann. Die Versuche unserer Oligarchen, die sich das Staatseigentum und die Staatsfinanzen angeeignet haben, mit ihrem Reichtum zu protzen, ausgerechnet um dem Publikum zu gefallen, lassen sich ausschließlich durch ihren kulturellen, historischen und politischen Schwachsinn erklären.

In den USA ist aber alles ganz anders. Dort bilden solche Traditionen, solcher Ausgangskode die ganze Basis der Gesellschaft. Dort sind die Menschen bereit, jede Not auszuhalten, um am Ende reich zu werden, wovon sie eben träumen. Dass eine Person, die den wahren amerikanischen Wert, das amerikanische Ideal, den amerikanischen Traum verkörpert, gar nicht scherzt und es wirklich ernst meint, US-Präsident zu werden, spricht davon, dass bei dem ganzen sozialpolitischen System in Amerika auf einmal eine Art Selbstverteidigungsreaktion funktioniert hat.

Dieses System strebt nach einem „Reset". Es ist in eine Reproduktionssituation geraten, denn um weiter bestehen zu können, muss ein jedes System der menschlichen kollektiven Tätigkeit vor allem in der Lage sein, sich unter neuen historischen Bedingungen zu reproduzieren. Der Verzicht auf den Ausgangscode ist unmöglich: Dann kann die Gesellschaft nur sterben, was mit dem Alten Rom und auch anderen Völkern und Zivilisationen passiert ist.

Solange das Land der „Neocons", das auf Kosten der Schulden, des Konsums und des säkularen Glaubens sowie der Pogrome lebt, von denen inzwischen auch das „alte" Europa getroffen wurde, nur Konservative (aber ohne den Präfix „Neo") kritisierten, könnte man denken, zurück in die Vergangenheit könnten nur „marginale" Greise wie Buchenen oder Kissinger rufen, die nicht mit der modernen Politik Schritt halten können.

Aber plötzlich hat sich ein Mann gefunden, der auf seiner persönlichen Fahne ein wirklich konservatives Programm schreibt und sich dabei ganz frech verhält. Und das ganze politische System hat keine Ahnung, was es mit ihm tun könnte, obwohl er dieses System eigentlich retten will.

Retter werden aber nicht besonders gemocht — nicht von einfachen Menschen natürlich, sondern von Machthabern. Wer als US-Präsident eine richtig starke Person, ein wahrer Führungstyp ist, der seine Partei anführt, darf durchaus mit einer Kugel in den Kopf rechnen — wie einst Lincoln oder Kennedy, oder mit dem Tod unter unklaren Umständen — wie Roosevelt.

Was mit Trump passiert, falls er wirklich Präsidentschaftskandidat und dann auch Präsident wird und dann die Sache mit vollem Elan herangeht, ist jetzt sinnlos, vorauszusagen. Aber leicht wird er es bestimmt nicht haben.

Die Menschen sind an ein unbegründet hohes Lebensniveau gewohnt, und die Eliten haben es gar nicht vor, Amerika wiederzubeleben. Sie nutzen die USA als Globalisierungsinstrument, wie einst Trozki & Co. Russland nutzen wollten — um die ganze Welt in Brand zu setzen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Trump nur so tut, als wäre er „der richtige Mann", so dass er seine ganze Energie in die Selbstwerbung steckt. Oder er wird einfach nicht gewählt.

Aber es wäre eine Unterschätzung der amerikanischen politischen Nation, zu glauben, dass es in den USA keine Kräfte gibt, die eine nationale Renaissance anstreben: eine industrielle Rekapitalisierung, die Rückkehr zu harten Normen der Arbeitsausbeutung, die Zuwanderungsbeschränkung im Interesse der Aufbewahrung der Identität, die Konsumbeschränkung zwecks Investitionsförderung, die Isolation statt der Verwaltung über die Welt.

Wenn sie das wirklich tun, egal ob mit oder ohne Trump, werden wir möglicherweise Probleme kriegen. Denn sie werden ihre Probleme lösen — falls sie es überhaupt wagen, — wie sie das immer machten: auf Kosten der restlichen Welt. Vor allem auf unsere Kosten und auf Kosten der Europäer.