Lassen Sie uns einmal den Schlussstrich unter das Jahr 2015 ziehen, aber auch die in dieser Zeit passierten Ereignisse analysieren.

„Minsk-2"

Natürlich waren die am Anfang des Jahres getroffenen Minsker Friedensvereinbarungen ein großer politischer Erfolg Russlands. Wir haben es geschafft, den intensiven unmenschlichen Raketenangriffen der ukrainischen Streitkräfte gegen Städte und Dörfer in den selbsternannten Republiken ein Ende zu setzen. Wir haben es geschafft, der ukrainischen Führung ihr im Grunde einziges Instrument aus den Händen zu reißen, mit dem sie die Einwohner und damit auch die Behörden der beiden Republiken unter Druck gesetzt hatte. Der richtige, „heiße" Krieg wurde durch einen Waffenstillstand oder wenigstens einen „kalten" Krieg abgelöst.

Es ist klar, dass Kiew nicht in der Lage ist, das so genannte „Minsk-2"-Abkommen umzusetzen. Darüber wurde schon viel gesagt. Deshalb müsste man meines Erachtens es weiter unter Druck setzen und zur Erfüllung der Vereinbarungen mit allen möglichen Mitteln zwingen. Das ist am Wichtigsten.

Zudem ermöglichten die Minsker Vereinbarungen die weitere Entwicklung der Situation in Form eines „friedlichen Wettbewerbs" zwischen den beiden Volksrepubliken und Kiew. Und was sehen wir? Die Republiken werden mit vielen Problemen konfrontiert, die Kiew für sie extra schafft, aber der allgemeine Trend zur Entwicklung und Festigung der „Protostaatlichkeit" der beiden Volksrepubliken, wie auch ihrer Sozialwirtschaft, ist eher positiv.

Seitens der Ukraine lässt sich dagegen ein äußerst negativer Trend beobachten. Sie verfällt als Staat, die sozialwirtschaftlichen Bedingungen dort werden immer schlechter. Unter den aktuellen Friedens- bzw. „Halbfriedens"-Bedingungen stehen definitiv die Donbass-Region und Russland als Sieger da. Meines Erachtens müssen wir die Volksrepublik weiter festigen und unterstützen, so dass die Ukraine keine Chance bekommt, den „heißen" Krieg wiederzubeginnen. Alles andere tun die ukrainischen Behörden auch ohne uns.

Weiter muss ich der von unseren „Patrioten" vorangebrachten These widersprechen, im Februar hätte man nicht die Friedensvereinbarungen treffen, sondern Mariupol und andere Städte im Gebiet Donezk stürmen müssen, die von Kiew kontrolliert werden, und weiter gehen — von Kiew und bis zu Lwow.

Ich bin kein Militärexperte und kann die Möglichkeiten der Streitkräfte der beiden Volksrepubliken nicht bewerten. Aber selbst wenn wir einmal annehmen, das wäre aus militärischer Sicht möglich gewesen, stellt sich die Frage, wie der Sturm dieser Städte durch die Kämpfer der Volksrepubliken aussehen würde. Wenn sie beispielsweise Mariupol oder Kransnoarmejsk mit Raketen beschießen würden, dann würden sie die friedlichen Einwohner dieser Städte massenweise vernichten. Müssten sie denn die Verantwortung für Tausende getötete Zivilisten übernehmen? Aber wie würden sie sich dann von den Nazis in Kiew unterscheiden? Man könnte auch viele weitere Fragen zum Thema „entschlossene Offensive der Volksrepubliken" stellen.

Es ist fast ein Jahr seit der Unterzeichnung des Minsker Friedensabkommens vergangen, und ich bin nach wie vor überzeugt, dass dieser politische Sieg der Schlüssel zum endgültigen Sieg ist. Kiew wird aber weiterhin „sein Bestes" tun, um die Erfüllung dieser Vereinbarungen zum Scheitern zu bringen — unter anderem mit militärischen Mitteln, und zwar weil es ihren wahren Sinn und ihre wahre Bedeutung sehr gut versteht.

Syrien

Bei dem russischen Militäreinsatz in Syrien handelt es sich um ein sehr kompliziertes Projekt, in dem es viele Aspekte gibt.

Einerseits ist das eine richtige (und keine demonstrative, dabei aber fiktive, wie bei den USA) Terrorbekämpfung. Wenn Russland die dortige terroristische Organisation zerstört und die wichtigsten Kräfte der Terroristen vernichtet, indem sie unter anderem ihre Finanzierungsquellen verlieren, wird das die Wahrscheinlichkeit von organisierten terroristischen Attacken gegen unseren Staat minimieren.

Andererseits haben wir gezeigt, dass eine Entmachtung der legitimen Regierung Syriens mit militärischen Mitteln unmöglich ist. Das bedeutet, dass dieses Land nicht so leicht im Chaos versinken wird, so dass gewisse Länder sich die dortigen Ölressourcen usw. nicht aneignen können.

Von der dritten Seite gesehen, sind Syrien und der Nahe Osten Elemente eines riesigen geopolitischen Spiels. Russland erklärte, dass es die Weltordnung, in der die USA der Hegemon sind, nicht anerkennt. Wir haben eine strategische Alternative. Eine multipolare Welt ist keine Illusion. Wir sind bereit, für eine solche Welt zu kämpfen, und die Hauptsache ist, unseren würdigen Platz in dieser multipolaren Welt zu verteidigen.

Wir haben offenbar endlich verstanden, dass es bei der so genannten „globalen Arbeitsverteilung" und in der Weltordnung nur zwei Kategorien der Plätze gibt: einen Platz, auf den man die hinweist, und einen Platz, den du selbst erobern und verteidigen kannst. Zwischen den beiden Plätzen gibt es einen riesigen, prinzipiell wichtigen Unterschied. Ähnlich ist auch der Unterschied zwischen der russischen Außenpolitik in den 1990er-Jahren und heutzutage.

Der unerklärte Krieg

In den 1980er-Jahren wollten wir sehr, dass der Kalte Krieg zu Ende geht und dass in der Welt „allgemeine menschliche Werte" herrschen. Das machte die ideologische Basis der so genannten „Perestroika" und der „neuen Denkweise" in der Sowjetunion aus.

In den frühen 1990er-Jahren dachten wir, der Kalte Krieg wäre zu Ende gegangen, so dass der Frieden gekommen wäre, weil keine der Seiten den Kalten Krieg gewinnen konnte. Der Frieden ohne jegliche Annexionen und Kontributionen.

Aber bald „erklärte" man uns, dass wir die Verlierer seien und dass der „Sieger" mit uns tun könne, was immer er wolle. Da wir aber nicht aufgegeben haben und unsere „Niederlage" nicht anerkennen wollten, geht der Krieg gegen uns weiter. Das ist ein unerklärter Krieg, der den Kalten Krieg abgelöst hat, und er ist noch viel komplizierter und härter.

Das war ein schweres Jahr, ein Jahr voller Tragödien. Alle Menschen, die in diesem Jahr an den Fronten dieses unerklärten Kriegs ums Leben gekommen sind, sind unsere Helden. Sowohl die Volksheer-Kämpfer und Zivilisten in der Donbass-Region als auch die Passagiere unseres Flugzeugs, das von Terroristen im ägyptischen Himmel gesprengt wurde, als auch unser Pilot und unser Marineinfanterist, die in Syrien getötet wurden. Sie alle sind unsere Helden und Opfer des gegen unsere Heimat geführten unerklärten Kriegs. Wir werden sie nie vergessen und unser Bestes tun, um des Andenkens an Sie würdig zu sein — genauso wie wir des Andenkens an die Soldaten des „Unsterblichen Regiments" im Jahr des 70-jährigen Jubiläums unseres Großen Siegs im Großen Vaterländischen Krieg würdig waren.

Meines Erachtens sind wir in diesem Jahr viele Illusionen und falsche Ziele losgeworden. Wir verteidigten entschlossen unsere politische Souveränität und werden das auch weiter tun. Wir haben es nicht zugelassen, dass Russlands Wirtschaft „in Stücke zerrrissen wird", und eine Destabilisierung unseres Landes verhindert, womit unsere Gegner in diesem Jahr so gerechnet hatten.

Wir müssen aber unsere wirtschaftliche Souveränität dringend untermauern. Zu diesem Zweck müssen wir zahlreiche Programme und Projekte zum Wirtschaftswachstum und zur sozialen Entwicklung erarbeiten und umsetzen. Wir verstehen sehr gut, dass die Politik und Wirtschaft innerhalb des Landes eine der wichtigsten Fronten ausmachen.

Wir haben sehr gute Voraussetzungen, diesen unerklärten Krieg zu gewinnen. Die Hauptsache ist, dass wir keine Fehler begehen. Bislang gelingt uns das großenteils, und das ist schon gar nicht mal so wenig.