Das große geopolitische Spiel entwickelt sich rasend selbst aus der historischen Sicht. Die Vernichtung des russischen Militärflugzeugs durch die Türkei spielt dabei die Schlüsselrolle. In der geopolitischen Analyse kann die Situation in einigen Thesen dargelegt werden.

Erste These. US-Unterstützung funktioniert

Es liegt bereits auf der Hand, dass der Angriff auf das Su-24-Flugzeug eine gut durchdachte und geplante Aktion war.

Der Beschluss über den Raketenstart wurde auf der höchsten Ebene der türkischen Führung getroffen — ob von Regierungschef oder von Präsident. Der türkische F-16 wartete speziell auf das russische Flugzeug, um es dann anzugreifen.

Auf dem Boden warteten Drehteams und Extremisten auf diese Aktion, die unseren Piloten töteten. Die Vernichtung des russischen Flugzeugs wurde nicht motiviert, weil es keine Drohung für die Sicherheit der Türkei darstellte und dabei die internationalen Normen und Regeln durch die türkische Seite ignoriert wurden.
Da stellt sich die Frage — wozu wurde das gemacht? Die Antwort liegt auf der Hand.

Die Türkei zeigte damit, dass sie auch weiter eine offen antirussische Position umsetzen wird. Sie schlug sich als antirussisches Instrument für die USA in einem globalen Spiel für die Aufrechterhaltung des Systems der US-amerikanischen globalen Herrschaft.

Die Reaktion der USA, von außen zurückhaltend und widersprüchlich, sieht in der Tat als Unterstützung der Handlungen der Türkei, die ihr Nato-Verbündeter ist, aus. Hätten die USA die Nichtzulassung der Eskalation und Gewaltszenarien gewünscht, hätten sie dann die Handlungen der Türkei öffentlich verurteilt. Doch weder die USA, noch die Nato machte dies. Das bedeutet, dass entweder die Handlungen der Türkei im Voraus inoffiziell abgestimmt worden waren, oder die USA die Nützlichkeit der türkischen Handlungen für ihr geopolitisches Spiel hoch einschätzten.

Die Erklärung einer offenen antirussischen Position der Türkei ist wohl sehr rechtszeitig und passend aus der Sicht Ersatz für die antirussische Ukraine und Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und seinen zentralasiatischen und transkaukasischen Partnern.

Auch auf dem Nahost-Schauplatz entstand ein Subjekt, das potentiell zu einem offenen Widerstand gegen Russland bereit ist.

Die USA können solch ein „Geschenk" nicht verpassen. Erdogan versteht sehr gut, dass noch ein paar Monate der russischen Luftoperation in Syrien den illegalen Ölhandel völlig beseitigen würden. Zudem würde die Stärkung der Staatlichkeit Syriens, ein mögliches Bündnis zwischen Assad und syrischen Kurden das Projekt zur Zerstörung Syriens und dessen Umwandlung in eine „schwarze" Zone des gesteuerten Chaos untergraben, wo man sich dank Öl bereichern kann.

Um der russischen Operation in Syrien Widerstand zu leisten, braucht Erdogan die US-Unterstützung. Er hat wohl diese Unterstützung bekommen, weshalb in der nächsten Zeit eine weitere Entwicklung der nicht provozierten antirussischen Position der Türkei zu erkennen sein wird.

Werden die USA von den von Russland veröffentlichten Angaben über den Ölhandel durch die Türkei gestoppt? Eher nicht. Würde sich das in offenen Handlungen der Türkei oder in Form der „zufälligen Terroranschläge" wie gegen russische Schiffe im Schwarzmeer zeigen? Das ist doch die Frage der Form und nicht des Inhalts der antirussischen Position.

Zweite These. Ziel der Koalition — Ergreifen und Aufteilung Syriens

Die Situation um das Su-24-Flugzeug brachte eine weitere offen nicht erklärte Koalition ans Licht — Katar, Saudi-Arabien und die Türkei. Katar und Saudi-Arabien sind die einzigen Länder (außer der Ukraine), die die Handlungen der Türkei offen unterstützten.

Sie boten ihre Hilfe beim Vertrieb der türkischen Waren an, auf die sich jetzt die russischen Sanktionen ausdehnen werden. Im Unterschied von der halb-mythischen Koalition aus 65 Ländern, die von den USA geleitet wird und angeblich gegen Terrormiliz IS kämpft, existiert tatsächlich die Koalition aus den drei Ländern. Ihre Ziele stimmen mit den offen erklärten gar nicht überein.

Das wahre Ziel dieser Koalition ist die Vernichtung der syrischen Staatlichkeit, das Ergreifen eines Teils der syrischen Territorien und die Schaffung der Korridore zum Transport der Kohlenwasserstoffe.

Das ist ein jahrelanges Projekt, in das bereits Milliarden investiert wurden und verschiedene Terrororganisationen ein wichtiges Instrument bei der Umsetzung dieses Projekts sind. Die drei Länder werden alle mögliche Handlungen zur Rettung ihres Projekts und Stärkung der Terrororganisationen unternehmen — ebenfalls bei der Unterstützung der USA, weil die USA ihre offizielle Verbündete sind.

Dritte These — Europa kapituliert

Die gegen Europa getroffenen Maßnahmen zum Flüchtlingsansturm, was ebenfalls von der Türkei organisiert wird, Terroranschläge in Paris führten das vereinigte Europa de facto zur Kapitulation.

Bei dem EU-Türkei-Gipfel schlugen die Europäer Erdogan „große Geschenke" im Tausch gegen eine Illusion einer Ruhe via Aufhebung des Drucks mithilfe der Flüchtlinge und Terrordrohungen vor.

Die Position Europas ist selbstmörderisch. Beispielsweise der Vorschlag zur Aufhebung der Visumspflicht mit der Türkei. Wie hängt dies mit der Aufgabe zur Einschränkung der illegalen Einwanderung und Einstellung des Migrantenstroms zusammen?

Das zu erwartende Ergebnis ist logisch. Die Aufhebung der Visaregeln wird die Erweiterung des Migrantenstroms fördern. Als Antwort auf die Rückkehr der Frage des EU-Beitritts der Türkei wird Erdogan den Druck nur stärken.

Auch „große Geschenke" der Europäer sind wohl für Erdogan nicht gut genug. Er will nicht die vorgeschlagenen 3,5 Milliarden Euro für die Unterhaltung der Flüchtlinge als einmalige Hilfe bekommen. Er will jedes Jahr solche Summe bekommen. Das ist wie ein Tribut, die die Türken vom kapitulierten Europa bekommen wollen.

Während des EU-Türkei-Gipfels wurde in Istanbul ein bekannter oppositioneller Menschenrechtler getötet, Journalisten ins Gefängnis gesetzt, die über die Waffenlieferungen an Terroristen durch die Türkei schrieben. Das demokratische Europa hat das alles nicht bemerkt. Die so genannten europäischen Werte der Meinungsfreiheit und Demokratie sind erwiesen sich erneut als Bühnenbilder.

Erdogan erhielt von Europa eine Carte Blanche für jede Innen- und Außenpolitik im Tausch gegen vage Versprechen, den europäischen Problemen zu helfen.
Das heutige Europa ist nicht nur nicht imstande, die politische Subjektheit aufrechtzuerhalten und dem Druck der USA Widerstand zu leisten (was wir am Beispiel der Ukraine-Krise sahen), doch es ist nicht imstande, selbst dem Druck der Türkei Widerstand zu leisten.

Vierte These — Situation im Donezbecken wird sich zuspitzen

Die oben genannten Umstände machen die Zuspitzung der Situation im Donezbecken in der nächsten Zeit sehr wahrscheinlich.

Präsident Pjotr Poroschenko wird dazu von ernsthaften inneren Problemen in der Ukraine sowie dem geopolitischen „Antrag" der USA zur Stärkung und Eskalation der antirussischen Position bewegt.

Es liegt auf der Hand, dass Poroschenko ohne Zustimmung der USA sich nicht zur Wiederaufnahme des Kriegs in der Ukraine entschließt. Falls er jedoch den Krieg wiederaufnimmt, würde das bedeuten, dass eine entsprechende Genehmigung erhalten wurde.

Zudem ist die Zuspitzung auch in Transkaukasien und in Zentralasien zu erwarten. Dazu bewegen die OVKS-Partner mit ihrer uneindeutigen Position in Bezug auf das abgeschossene russische Flugzeug.

Fünfte These — die USA setzen das Szenario der Eskalation um

Alle beschriebenen Situationen sind Situationen der Eskalation der Spannung und Annäherung an eine ernsthafte Militärkrise.

Man soll verstehen, dass es gerade die USA sind, die nach dem Eskalationsszenario spielen. Sie hätten theoretisch dieses Szenario stoppen können. Doch nur theoretisch. Die USA können nicht auf die Eskalation der Spannung verzichten und reale gleichberechtigte Verhandlungen zur Krisenlösung aufnehmen, weil dies die Zerstörung der US-amerikanischen Weltordnung und totalen Dominanz bedeuten würde.

Darin besteht das Wesen des Problems. Ausgehend aus diesen Punkten soll man Ziele setzen und geopolitische Handlungen planen.