Am 20. November 1945 wurden vor dem Internationalen Militärgerichtshof die Führungskräfte von Nazi-Deutschland gestellt. Die wichtigsten Anklagepunkte waren Kriegsverbrechen und eine Verschwörung gegen die Welt und Menschlichkeit (Ermordungen, Vernichtungen, Versklavung, Auslieferung und andere Grausamkeiten gegenüber Zivilbevölkerung, Verfolgung aus politischen, Rassen- und religiösen Gründen).

Die Weltgeschichte kannte bislang keine solchen Gerichtsprozesse. Der Beschluss des Vertrags von Versailles 1919 zur Heranziehung des Kaisers und seiner Helfer zu strafrechtlicher Verantwortung wurde nicht umgesetzt. Damit das Gericht der Völker realisiert wird, musste die Sowjetunion nicht nur Deutschland und seine Satelliten zerschlagen, sondern auch Verbündeten in der Anti-Hitler-Koalition von der Notwendigkeit seiner Durchführung überzeugen.

Dagegen wehrte sich lange Zeit der britische Premier Winston Churchill. Am 9. Februar 1945 sagte er bei der Jalta-Konferenz direkt, dass es besser wäre, die größten Verbrecher zu erschießen, sobald sie erfasst werden. Auch der Oberkommandeur der Verbündetenkräfte in Europa, Armeegeneral und der künftige Präsident, Dwight David Eisenhower, schlug vor, sie beim Fluchtversuch zu erschießen.

Doch Josef Stalin war unnachgiebig. Ein Tag vor dem Kriegsbeginn mit Japan unterzeichnete die Sowjetunion ein Abkommen mit den USA, Großbritannien und Frankreich über die Gerichtsverfolgung der größten Kriegsverbrecher und Einrichtung des Militärgerichtshofs. Es wurde der Ausschuss der Chefankläger gebildet, zu dem Roman Rudenko (Sowjetunion), Robert Jackson (USA), Hartley Shawcross (Großbritannien) und Francois de Menthon (Frankreich), der später durch Auguste Champetier de Ribes ersetzt wurde. Der Ausschuss hat eine Liste der größten Kriegsverbrecher, ein Anklageschreiben erstellt, führte Verhöre der Angeklagten und Zeugen durch.

Der Vorsitzende beim Nürnberger Prozess war Geoffrey Lawrence (USA), (Großbritannien). Die Mitglieder des Militärgerichtshofs waren Francis Biddle (USA), Henri Donnedieu de Vabres (Frankreich) und Justiz-Generalmajor Iona Nikotschenko (Sowjetunion).

Der Gerichtshof funktionierte fast ein Jahr. Das Urteil wurde am 30. September und 1. Oktober 1946 gefällt. Zwölf Angeklagte darunter der in Abwesenheit verurteilte Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP Martin Bormann wurden zu Todesstrafe verurteilt.

Am 16. Oktober wurden der deutsche Außenminister Joahim von Ribbentrop, der größte Nazi-Ideologe und der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete Alfred Rosenberg, Nummer zwei hinter SS-Chef Himmler, Ernst Kaltenbrunner, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Feldmarschall Wilhelm Keitel, Chef des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht, Generaloberst Alfred Jodl, Generalgouverneur der von der Wehrmacht besetzten Teile Polens, Hans Frank, Innenminister Wilhelm Frick, österreichischer Hurist Arthur Seyß-Inquart, Generalbevollmächtigter für die Zwangsarbeit Fritz Sauckel, Chefredakteur der Zeitung „Der Stürmer" Julius Streicher erhängt.

Ukrainische Journalisten und Politologen, die die Kiewer Junta glorifizieren, Russland anschwärzen, zur Demontage der Denkmäler an sowjetische Kämpfer aufrufen und die Verstorbenen in Odessa und im Donezbecken verspotten, soll das Finale der Karriere von Streicher nicht kalt lassen…

Erhängt wurde auch die Leiche des Nazis Nr. 2, Hermann Göring, der sich einige Stunden vor der Hinrichtung vergiftet hatte.

Zur lebenslangen Haftstrafe wurden der Nazi Nr. 3 Rudolf Hess, Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Walther Funk und Oberbefehlshaber der Reichs- bzw. Kriegsmarine Erich Raeder verurteilt. Jeweils 20 Jahre Haft erhielten der Organisator und Leiter von Hitlerjugend Baldur von Schirach und der Reichsminister für Bewaffnung und Munition Albert Speer. Reichsprotektor in Böhmen und Mähren Konstantin von Neurath wurde zu 15 Jahren Haft, Marineoffizier und enger Gefolgsmann Adolf Hitlers Karl Dönitz zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Gegen die lebenslange Haftstrafe für Hess und den Freispruch für Franz von Papen, Hans Fritzsche und Hjalmar Schacht äußerte sich das sowjetische Mitglied des Militärgerichtshofs Nikitschenko. Er reichte ein spezielles Dokument vor Gericht — Sondermeinung.

Sondermeinung eines sowjetischen Richters

Nikitschenko schrieb: „Angesichts der Tatsache, dass Hess der drittwichtigste politische Führer in Hitler-Deutschland war, dass er die wichtigste Rolle bei den Verbrechen des faschistischen Regimes spielte, halte ich alleine die Todesstrafe für eine richtige Strafmaßnahme für ihn".

Im Urteil an den ehemaligen Reichswirtschaftsminister und Präsident der Reichsbank, Hjalmar Schacht, hieß es, dass die vorgelegten Beweise es nicht ermöglichen, zum Schluss zu kommen, dass Schacht de facto über aggressive Nazi-Pläne wusste.

Nikitschenko erinnerte in der Sondermeinung: „Am 29. November 1938 sagte Schacht, dass die Politik der Reichsbank es Deutschland ermöglichte, eine unbesiegbare Maschine zu schaffen, die ihrerseits das Erreichen des Zieles unserer Politik ermöglichte". Man soll die Annahme absolut ausschließen, dass Schacht nicht darüber wusste, welcher Politik diese Waffen dienen sollte, angesichts ihres präzedenzloses Ausmaßes und eine deutliche Bevorzugung gegenüber den Offensivwaffen".

Der sowjetische Richter nannte folgende Fakten als unumstritten:

1. Schacht förderte aktiv die Ergreifung der Macht durch Nazis
2. Schacht kooperierte innerhalb von zwölf Jahren eng mit Hitler
3. Schacht sicherte die wirtschaftliche und finanzielle Basis zur Schaffung der Hitler-Militärmaschine.
4. Schacht bereitete die deutsche Wirtschaft zur Führung von aggressiven Kriegen vor
5. Schacht nahm an der Verfolgung der Juden und Plünderung der von Deutschen besetzten Gebiete teil.

Es wurde also die führende Rolle von Schacht bei der Vorbereitung und Umsetzung des verbrecherischen Plans bewiesen.

Der Beschluss über die Rechtfertigung von Schacht widerspricht den vorhandenen Beweisen.

Die Sondermeinung von Nikitschenko wurde vor Gericht bekanntgegeben. Schacht und von Papen wurden freigelassen.

Der Sekretär der sowjetischen Delegation im Militärgerichthof, Arkadi Poltorak schreibt: „Am nächsten Tag wurde im Fotolabor des Justizpalastes eine Aufnahme gemacht… Etwas Abstoßendes gab es in diesem Foto. Personen in US-Militäruniform gaben Schacht und Papen die Hand, gratulierten ihnen, wie man gewöhnlich guten Bekannten gratuliert, die nach einer hoffnungslosen Operation zusammenkamen".

Man darf sich kaum wundern, dass zum Ende des Prozesses der Wind des Kalten Krieges auch in Korridoren des Militärgerichtshofs zu spüren war. Trotz der Position der Sowjetunion weigerte sich das Militärgerichtshof, den Generalstab und die Hitler-Regierung als verbrecherische Organisationen zu bezeichnen.

In die Freiheit mit reinem Gewissen

Der Wind des Kalten Krieges rettete viele bekannte Nazis. Die in Nürnberg Hingerichteten und einige Dutzende Selbstmord begangene hochgestellte Funktionäre und Militärs — das sind gar nicht alle, die das Dritte Reich führten, Eroberungskriege führten und eine neue Ordnung in den besetzten Gebieten aufstellten. Viele Nazi-Verbrecher erhielten zwar reale Haftstrafen, nicht alle von ihnen saßen die komplette Haftzeit hinter Gittern. Seit Beginn der 1950er-Jahre wurde damit begonnen, die vor Ablauf ihrer Haftstrafe auf freien Fuß gesetzt.

Vorzeitig wurden die vom Militärgerichtshof zur lebenslangen Strafe verurteilten Raeder (17. Januar 1955) und Funk (16. Mai 1957) freigelassen. Beide starben 1960.

Auffallend ist das Schicksal von Hinrich Lohse und Adolf Heusinger. Letzterer war einer der wichtigsten Strategen der Angriffspläne auf Polen, Dänemark, Norwegen, Frankreich, Niederlande, Großbritannien und die Sowjetunion. Doch beim Nürnberger Prozess war der Hitler-Stratege der Zeuge von der amerikanischen Seite. Er wurde 1947 freigelassen, 1950 wurde zum Militärberater des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, 1961 — zum Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses. Die Sowjetunion forderte die Übergabe Heusingers, um den Entwickler des Barbarossa-Plans vor Gericht zu stellen, doch der Westen ignorierte diese Forderung.

Im Sommer 1941 übernahm Lohse die Führung des Reichskommissariats Ostland, wohin die von Deutschen besetzten Weißrussland, Litauen, Lettland und Estland gehörten. Innerhalb von drei Jahren wurden in Ostland unter Führung von Lose mehrere Verbrechen begangen. Im August 1944 kehrte er nach Deutschland zurück, im Mai 1945 wurde er von den Briten festgenommen, 1948 zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Im Februar 1951 wurde Lohse wegen gesundheitlichen Gründen freigelassen, wonach er weitere 13 Jahre in Deutschland lebte und eine Beamtenrente erhielt.

Im Mai 1945 ergab sich Generalleutnant der Wehrmacht, Reinhard Gehlen, den Amerikanern. Experten Veronika Krascheninnikowa und Alfred Ross schreiben: „Gehlen schlägt den USA sein Apparat und Agentennetz sowie die gesammelten Materialien im Tausch gegen die Freiheit vor. Während die Sowjetunion vergeblich die Auslieferung Gehlens und die Übergabe seiner Materialien forderte, erreichten die Seiten im Pentagon schnell eine Vereinbarung — die Materialien Gehlens und sein Netz wurden als wertlos bezeichnet und seine Forderungen wurden angenommen. Laut Materialien des Magazins „Der Spiegel" vom 22. September 1954 wird Gehlen sein Aufklärungsapparat wiederherstellen, das ausschließlich aus deutschen Spezialisten bestand, das von US-Gegenaufklärungsdienst finanziert wird".

Die USA wurden beim Gespräch mit Gehlen durch Allen Dulles, dem künftigen CIA-Chef, und einer Gruppe von Geheimdienst-Generälen vertreten.

Nach einem Vertrag zwischen Pentagon und Gelen wurden Hunderte Wehrmacht- und SS-Offiziere aus Gefangenenlagern befreit und in Gehlens Stab im Gebirge Spessart im südwestlichen Deutschland gebracht — es bildete sich eine Gruppe aus 350 Offizieren, die persönlich von Gelen ausgewählt wurden.

Unter ihnen war beispielsweise Alois Brunner, der für ein Internierungslager in Drancy bei Paris zuständig und dort für den Tod von 140.000 Juden verantwortlich war. Damals bestand Gehlens Organisation aus 3000 Menschen, der Stab zog in einen streng überwachten Ort bei München um, wo die Organisation unter einer bescheidenen Bezeichnung „Organisation der industriellen Entwicklung Süddeutschlands" agierte. Zu Beginn der 1950er Jahre zählte die Organisation bereits 4000 Offiziere. Das Agentennetz Gehlens umfasste ein riesengroßes Territorium von Korea bis Kairo und von Sibirien bis Santiago und Chile.

Andere Beispiele führt der Historiker Konstantin Salesski an:

„Franz Hofer Reichsstatthalter von Tirol-Vorarlberg, bekleidete seit 1943 gleichzeitig den Posten des Obersten Kommissar in der ‚Operationszone Alpenvorland‘ (Bozen, Trient und Belluno), weshalb ihm eine große Strafe drohte. Doch als Hofer 1948 im US-Lager bereits fast drei Jahre verbrachte, floh er, wonach er im Ruhrgebiet zunächst unter einem Decknamen und ab 1954 unter dem eigenen Namen wohnte. Im Juni 1949 wurde er in Österreich in Abwesenheit zur Todesstrafe verurteilt. Hofer starb 1975 in Mülheim an der Ruhr im Alter von 73 Jahren.

Ebenfalls unter geheimnisvollen Umständen floh aus dem US-Lager der Gauleiter der Steiermark, Obergruppenführer Sigfried Uiberreither. Dies geschah gerade zu einem Zeitpunkt, als Jugoslawien seine Auslieferung wegen des Vorwurfs von Massenerschießungen in Graz forderte. Er wurde nach Argentinien gebracht. 1980 kehrte er mit einem gefälschten Pass nach Deutschland zurück, wo er im Dezember 1984 im Alter von 74 Jahren starb".

Ehemalige Verbündete der Anti-Hitler-Koalition befreiten hochgestellte SS-Funktionäre, deren Hände voller Blut waren. 1951 wurde der SS-Obergruppenführer Gottlob Berger freigelassen, der zwei Jahre zuvor zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde. Ähnlich war das Schicksal eines anderen SS-Obergruppenführers — 1948 wurde Werner Lorenz zu 20 Jahren Haft verurteilt, jedoch bereits nach einigen Jahren freigelassen.

Während des Kalten Kriegs, der vom Westen gegen die Sowjetunion entfacht wurde, verzichteten Washington und London auf keine Kampfmittel — auch die Kooperation mit Nazis, die für den Tod von Dutzende Millionen Menschen verantwortlich sind.