Ehrlich gesagt, stört es mich, ständig zu hören, dass wir die gegen Russland entfesselte Wirtschaftsaggression mit dem Wort „Sanktionen“ bezeichnen. Es gibt keine Sanktionen. Es kann sie einfach nicht geben, denn es gibt keine Rechtsnorm, die verletzt worden wäre. Die Neo-Nato-Konzeption (William Kristol) über die moralische Hegemonie der USA in der Welt, die das Weiße Haus und das US-Außenministerium ausüben, verlangt nicht nur das Vorhandensein einer solchen (internationalen) Rechtsnorm, sondern geht auch davon aus, dass es in der realen internationalen Politik keinen Rechtsfaktor gibt. Deshalb gibt es eigentlich genauso wenige Gründe, den Versuch zur wirtschaftlichen Isolierung Russlands und den Finanzterror gegen unser Land als „Sanktionen“ zu bezeichnen, wie die einstige Jackson-Vanik-Klausel. Man setzt uns unter Druck, weil wir allmählich aus den Ruinen der 1990er-Jahre wieder auferstehen. Es handelt sich um den Kampf um die Umverteilung des internationalen Reichtums. Vor uns steht wieder die Frage der Wiederherstellung unseres nationalen Reichtums – genauso wie nach den drei Kriegen des 20. Jahrhunderts.

Was waren die schwächsten Stellen des Volkseigentums als Wirtschaftsbasis der Sowjetunion? Die inhaltsreiche trotzkistische Kritik gleich nach dem Zweiten Weltkrieg (Tony Cliff) definierte durchaus überzeugend den Typ unseres volkswirtschaftlichen Systems als Staatskapitalismus. Im Grunde ging es dabei um die maximale Konzentration des Kapitals, um den maximal möglichen Monopolismus. Allerdings in einem einzelnen Land, selbst wenn es das größte in der ganzen Welt war. Das Monopol und die Konzentration waren die größten Konkurrenzziele des Kapitals im 19. und 20. Jahrhundert – und die haben wir erreicht. Bis zu den 1970er-Jahren endete der Wettbewerb zwischen der Sowjetunion und den USA mit einem überzeugenden Wirtschaftssieg der UdSSR, und die USA entschlossen sich für die Entspannung der Situation und für Abrüstung, weil das Tempo des Wettrüstens für sie unerträglich war. Aber für uns wurde das am Ende ein Pyrrhussieg: Der Kapitalismus hat sich radikal verändert und war im Grunde kein Kapitalismus mehr.

Lassen wir einmal die Defekte der Zentralisierung beiseite, die in einem möglichen Fehler bestehen. Zum Beispiel den absichtlichen Verzicht auf eine Erweiterung des Angebots von Gebrauchsgütern im Interesse der sozialen Psychologie oder auf die Entwicklung des individuellen Verkehrs zugunsten des öffentlichen und des Güterverkehrs. Und ob das überhaupt Fehler waren? In diesem Sinne sind die Strategie und die allgemeine Struktur des Systems wichtig. Auch das Problem Stabsverrat würde ich ausgeklammert lassen, obwohl es ihn offensichtlich gegeben hat. Aber wir werden doch nicht auf unser Gehirn zugunsten des Rückenmarks verzichten, auf unser bewusstes Verhalten zugunsten der Instinkte und schließlich auf das zweite Signalsystem zugunsten des ersten, nur weil das zweite älter als das erste ist und angeblich das Überleben effektiver sichert? Die Evolution widerlegt eine solche Ideologie eindeutig. Mit welchem Problem wurden wir denn konfrontiert, das zu unserer Insolvenz in den 1990er-Jahren geführt hat, deren Folgen wir immer noch nicht überwunden haben.

Man kann diese Situation besser verstehen, wenn man die Wirtschaft und die Haushaltsführung voneinander unterscheidet. Diesen Unterschied führte Alexander Sinowjew in den besten Traditionen der „Ökonomie des Denkens“ ein, die unsere amerikanischen Kollegen-Philosophen so lieben. Die Wirtschaft ist laut Sinowjew die Monetisierung der Gesellschaftsbeziehungen. Mit anderen Worten werden dabei die Gesellschaftsbeziehungen vom Geldumsatz verwaltet. Die Haushaltsführung ist aber eine Tätigkeit, die für die Befreiung der Reproduktion des Menschen von den Naturbedingungen erforderlich ist. Wie Lyndon LaRouche sagte, ist die Haushaltsführung die „physische Wirtschaft“, die für die Überwindung von malthusianischen Beschränkungen des Wachstums der menschlichen Population (wenn die Exponentialkurve des immer schnelleren Wachstums der Menschenzahl auf das Ressourcenlimit stößt – so ist das wichtigste Idol der Ökologie) bestimmt ist. Natürlich wird auch die Haushaltsführung „verwirtschaftlicht“ und vom Geld verwaltet – das ist eben der klassische Kapitalismus. Aber im 20. Jahrhundert trat die Wirtschaft weit über den Rahmen der Haushaltsführung hinaus. Und darin und nicht in der klassischen Überproduktion besteht heutzutage die Ursache der systematischen Krise.

Die wichtigsten Prozesse der Haushaltsführung – die Produktion, Verteilung (darunter der Transport), Kumulierung und Entwicklung – wurden in der klassischen kapitalistischen Epoche nur im Spiegel des Geldes „widerspiegelt“, und das Verhältnisprinzip zwischen Waren und dem Geld war das Äquivalenzprinzip. Der Reichtum bestand in der Warenmasse. Die Kumulierung bestand in territorial festgelegten Infrastrukturen (vor allem in Städten). Die Entwicklung bestand in der wissenschaftlichen Revolution. Die Verteilung bestand in der Sozialpolitik des Staates. Das Geld war nur ein relatives Maß von all dem. Aber heutzutage ist die Logik der Geld-„Widerspiegelung“ und des Äquivalents bereits Vergangenheit. Teilweise ist das wegen der Entwicklung der Haushaltsführung an sich so. Die Industrierevolution hat zu einer Explosion der Warenmasse und dazu  geführt, dass das Gold und seine Surrogate den Status des allgemeinen Äquivalents des Wertes, den Status der Mega-Ware verloren haben. Das Gold ist nicht nur unverzehrlich, sondern kann auch im Industriebereich nur sehr beschränkt verwendet werden (im Vergleich zu Energieträgern). Seinen „heiligen“ Status hat es auch verloren – wenigstens weil Geld aus Gold durch Geld aus Papier ersetzt wurde.

Die Lösung des Problems der Überproduktionskrise als spezifischer Effekt der wirtschaftlichen (geldlichen) Haushaltsverwaltung hat weltweit den Weg zur Bildung von Mega-Verbrauchssystemen eingeschlagen. Es geht dabei um die Schaffung einer falschen Vielfalt von Waren, das Aufzwingen eines überflüssig großen Sortiments, die drastisch geschrumpfte Betriebszeit von Waren (unter anderem auf Kosten sozialer Mechanismen), die Pseudo-Modernisierung, der Pseudo-Verbrauch, die falsche Kumulation von Gütern als Ware usw. Das zusätzliche (gegenüber der Industrierevolution) Wachstum der Warenmasse durch die Organisation des Mega-Verbrauchs hat selbst die Möglichkeit  zur Nutzung irgendeiner wichtigen „Mega-Ware“ als allgemeines Waren-Äquivalent des Wertes aus der Verwaltung über den Warenumsatz ausgeschlossen. Wenn man zudem die allgegenwärtigen aufgezwungenen Dienstleistungen – Pseudo-Dienstleistungen zu Wahnsinnspreisen – bedenkt, dann sieht man, dass heutzutage nicht nur das „goldene“, sondern auch das oft in der Debatte stehende „energetische“ Geld unmöglich ist. Das Geld hat seine Eigenschaft als Wirtschaftselement endgültig verloren und ist nur ein Verwaltungsinstrument geworden.

Im Bereich des Geldumsatzes ist der alte scholastische Streit zwischen den Realisten und Nominalisten darüber, ob Waren (so finden die Realisten) oder nur ihre Namen (das behaupten die Nominalisten) bestehen, definitiv zugunsten der Letzteren entschieden worden. Der Wert des modernen Geldes ist nominal und nicht real. Als erste haben das wahrscheinlich US-amerikanische Finanziers begriffen, die deshalb die ganze Weltwirtschaft unter ihre Kontrolle nehmen konnten. Dabei haben sie ihre Rolle missbraucht und sind die größten und hoffnungslosesten Schuldner in der Geschichte der globalen Finanzen geworden, die aber den größten Reichtum der Welt und die Mittel zur Verwaltung über die Welt in ihren Händen haben. Das moderne – sprich völlig nominale – Geld sichert die nominale (sprich die mögliche) Verbundenheit aller Teilnehmer der Weltwirtschaft miteinander. Das ist durchaus mit der Telefonverbindung vergleichbar: Jeder Telefonbesitzer kann nicht alle anderen Telefonbesitzer der Welt anrufen. Man hat die Möglichkeit, andere Menschen anzurufen, nur weil man im jeweiligen konkreten Augenblick nicht alle anderen Telefonbesitzer der Welt gleichzeitig anruft. Dasselbe gilt im Grunde für das Geld: Es ist heutzutage nicht nur mit irgendwelchen privilegierten Waren, sondern generell mit der ganzen globalen Warenmasse nicht versorgt, darunter mit potenziellen (das heißt noch nicht hergestellten) Waren. Und das ist keine traurige Folge der Kumulation des Ungleichgewichts im Umsatzsystem, sondern das Arbeitsprinzip dieses Systems.

Das moderne Geld besteht nicht nur aus Banknoten, sondern auch aus allen derivativen Wertpapieren und zahlreichen Finanzfiktionen und Finanzinstrumenten. Aber selbst wenn wir diese Derivative nicht berücksichtigen und nur über das Geld als Banknoten sprechen, dann gibt es in der Welt viel mehr Geld als Waren, die dafür zu den aktuellen Preisen gekauft werden können. Die permanente Geldemission ist das Hauptinstrument für die Verwaltung über alle Wirtschaftsprozesse, die selbst als Verwaltung über die vielfältige – und nicht nur die wirtschaftliche – Tätigkeit fungieren. Natürlich muss in einem solchen System der größte Teil der Geldmasse steril in Bezug auf die Warenmasse sein und hat keinen Kontakt zur Letzteren. Das wird durch den speziellen spekulativen Umsatz von Finanzinstrumenten gesichert, wenn das Geld aus einer Form in eine andere übergeht und im Prinzip nicht mit dem „realen Sektor“ verbunden ist. Das ist auch ein Teil der Emission.

George Soros hat in seinem Buch „The Alchemy of Finance“ die moderne Wirtschaft ganz ehrlich als grundsätzlich unausgeglichenes System bezeichnet. Ein solches System kann nur dann funktionieren, wenn es sehr hart verwaltet wird. Es kann sich nicht selbst regeln. Die überflüssige Emission gestattet es, globale Warenmassen und die Ressourcen der Haushalts- bzw. Wirtschaftsaktivitäten im Allgemeinen gezielt zu bewegen. Die überflüssige Geldmasse wird durch falsche Waren, darunter durch unnötige Dienstleistungen und Megapreise, akkumuliert, durch Megagewinne, Megasteuern und Megaausgaben aus dem Umsatz gezogen und durch die Zerstörung der Finanzsysteme ganzer Länder und globaler Finanzorganisationen und Instituten annulliert. Die Enteignung von Bankanlagen in Zypern war erst der Probeschritt in diese Richtung. In der Perspektive müssen wir uns auf die Abschreibung der europäischen und natürlich der amerikanischen Schulden gefasst machen. Manche dürfen neues Geld emittieren, die anderen dürfen das nicht. Manche müssen sparen, die anderen dürfen viel Geld ausgeben. Aus der Sicht der klassischen Wirtschaft ist das natürlich Räuberei. Wer auf diese Weise beraubt wurde, wird dagegen protestieren, egal ob innerhalb seines Landes oder im globalen Maßstab. Aber umso wichtiger sind die Nato und die militärischen Aktivitäten der USA.

Natürlich müssen die Gesellschaften im Interesse eines fairen und konstruktiven Auswegs aus der Krise die überflüssige nominale Geldmasse loswerden, wobei in den Mittelpunkt der Wirtschaftstätigkeit die Haushaltsführung rücken sollte. Das bedeutet jedoch nicht, dass allein die Kontrolle über den Verbrauch bzw. die Kürzung des Verbrauchs genügt. Er muss systematisch reorganisiert werden. Dass die Wirtschaft ihren realen Status und ihren haushaltsführenden Inhalt zurückbekommt, bedeutet auch nicht die Rückkehr zu jeglichem Metallgeld und zum realen Geld überhaupt. Die USA konnten eben deswegen die ganze Welt aufs Kreuz legen, weil sie als erste eingesehen haben, dass der Übergang zum nominalen Geld unvermeidlich ist. Aber in der Realwirtschaft sollte das nominale Geld nur ein Verwaltungsinstrument unter strenger Kontrolle sein, die dem Geld nicht erlauben würde, ihr nominales Wesen auf die Wirtschaft im Allgemeinen zu „projizieren“, und sie von ihrer haushaltsführenden Basis nicht trennen würde. Solches technisches Geld ist grundsätzlich ungleichartig: Es gibt immerhin Bar- und Buchwährungen, Währungen für natürliche und juristische Personen, Währungen für Binnenzahlungen und internationale Zahlungen, die sich voneinander unterscheiden. So war das auch in der Sowjetunion. Als aber die Sowjetunion zum nominalen Geld übergegangen war, hat sie am Ende ihre Realwirtschaft verloren.

Die USA werden nichts davon tun.  Sie werden ihr „Bestes“ tun, damit ihre Megaschulden auf Kosten der Kreditgeber annulliert werden, und sich um das Fixen ihres langfristigen Gewinns von der Ausbeutung der Welt bemühen. Dieser Gewinn lässt sich nicht auf ihr nationales Kapital zurückführen, sondern auf ihre Kontrolle über den globalen Umsatz des nominalen Geldes. Dabei können die Weltwirtschaft wie auch die Wirtschaften einzelner Länder bei ihrem nominalen Wachstum, das mit ihrer Haushaltsführung nicht verbunden ist, sich nicht von dem realen Kern der Haushaltsführung völlig loslösen: Denn die Arbeit bleibt Arbeit, die Ressourcen bleiben Ressourcen, die Territorien (wo sich beispielsweise die Ressourcen befinden) bleiben Territorien, die Infrastruktur bleibt Infrastruktur und der Hunger bleibt Hunger. Darauf lassen sich alle Kriege zurückführen, egal ob sie offen oder getarnt sind.

Es wird keinen globalen Ausweg aus der Krise geben. Die Krise werden einzelne Länder sowie regionale Wirtschaftsbündnisse überwinden müssen. Für Russland geht es dabei um die BRICS und die Bündnisse im Asien-Pazifik-Raum sowie um einzelne europäische Länder, falls sie sich von den USA befreien können. Aber sie schaffen das nicht, falls sie nicht auf ihre eigene wirtschaftliche Souveränität setzen. Sie können jedoch nicht wirtschaftlich souverän werden, falls sie kein eigenes Geld haben. Der nominale Charakter des modernen Geldes bedeutet nicht, dass dafür gar nichts (gar keine Waren) gekauft werden kann. Es gibt jede Menge Waren, die für das moderne Geld gekauft werden können. Dabei ist offensichtlich, dass es sich dabei nicht nur um die Waren handelt, die sich auf dem jeweiligen nationalen Territorium befinden bzw. die von der jeweiligen nationalen Wirtschaft hergestellt worden sind. So kann man beispielsweise für US-Dollar alles weltweit kaufen und für russische Rubel nicht alles und nicht überall auf der Welt. Darin besteht die Kraft des nominalen Geldes. Davon muss man aber profitieren können. Das bedeutet, dass wir unser Verhalten zum Handel in Rubel radikal verändern müssten. Wir müssten alle unsere Waren für Rubel exportieren, aus der FATF-Arbeitsgruppe in Bezug auf Rubel-Kontos austreten, alle Transaktionen in Rubel völlig liberalisieren, darunter den Umsatz von Barrubeln. Vorerst aber haben wir kein eigenes Geld.

Das Problem besteht nicht nur in unserer Schwäche. Wir sind gar nicht so schwach und nicht pleite. Die neue, postkapitalistische Welt der nominalen Wirtschaft, die von ihren Ideologen als „postindustrielle“ bezeichnet wird, liegt tatsächlich außerhalb der Adäquanz der politwirtschaftlichen  Theorien marxistischer Herkunft. Und andere Theorien gibt es im Grunde nicht. Sie werden durch die monotone wirtschaftliche Ideologie ersetzt – über den freien Markt, das Wirtschaftswachstum, die Innovationswirtschaft der Kenntnisse, blablabla… Deshalb ist diese Welt intransparent ausgerechnet aus der erkenntnistheoretischen Sicht. Es geht nicht um eine Verschwörung, sondern im Gegenteil – man muss sich nicht verstecken, denn niemand kann irgendwas verstehen. Wir müssen also unsere eigene Theorie unserer Haushalts- und Wirtschaftsentwicklung ausarbeiten.