Diese Frage wurde im Herbst 1961 mehrmals an Jewtuschenko in den USA gestellt. Als Antwort entstand ein bekanntes Lied, das als pazifistisch eingestuft und beinahe verboten wurde. Ein Jahr später begann die Kubakrise. Die Russen antworteten auf diese Frage im Jahr 1962 mit Maßnahmen. Wir zogen uns taktisch zurück. Diese Frage wird vom Westen auch heute gestellt – ungefähr auf dieselbe Weise. Lasst uns diese Frage nicht übersehen.

Die blutende Wunde der Ukraine zeigte das ganze Wesen unserer Beziehungen mit dem Westen. Das zeigen die Fakten. Man braucht hier keine Vermutungen. Die Verteidigung offensichtlicher Dinge vor der Lüge ist zwar eine wichtige, jedoch nicht die vorrangige Aufgabe. Die wichtigste Frage der Beziehungen sind weder Wirtschaft noch Sanktionen. Die Hauptfrage – Krieg und Frieden.

Die Frage nach Krieg und Frieden kann nicht auf einer einzelnen Grundlage gelöst werden. Weder Kultur noch Wirtschaft oder Moral, Religion, Recht, humanitäre Probleme sind systematisch genug, um sie als Grundlage zu betrachten. Man kann es auch anders sagen. Die Frage nach Krieg und Frieden kann nicht der Grundlage der so genannten „Werte“ gelöst werden. Krieg und Frieden haben keinen Preis.

Man kann das Gesagte an einem einfachen Beispiel verfolgen. Als der Chor von prowestlichen Propagandisten darüber sang, dass Leningrad hätte nicht verteidigt werden sollen, weil der Preis zu hoch gewesen sei, kann man darauf nicht sagen, dass diese Behauptung amoralisch ist bzw. dem Glauben widerspricht, sollte das als Werte und nicht als Grundlage des Lebens bezeichnet werden. Werte sind nur Werte, weil sie angenommen oder nicht angenommen werden können. So werden Moral und Glaube heute gedeutet.

Der systematische Faktor bei der Lösung der Frage Krieg und Frieden ist die Politik. Daran gibt es nichts Neues. Die Frage Krieg und Frieden betrifft alle – obwohl der liberale Mythos zu beweisen versucht, dass es ebenfalls eine private Frage wie alle andere im Sozium ist (aus liberaler Sicht). Die Griechen bezeichneten einen Menschen, der von Politik nichts versteht, als Idiotikos, also Idiot. Idiotikos bedeutet auch Eigentum, Eigentümer. Also jemand, der von seinem Eigentum besessen ist, ist ein … Deswegen ist eine technische Bedingung für die Lösung der Frage Krieg und Frieden die politische Kompetenz.

Der Kritiker des Liberalismus Schmitt war der Ansicht, dass der politische Aspekt total ist, weil der Krieg der extreme Punkt der Politik und eine allgemeine, öffentliche Sache sei. In unserer Situation reicht die umgekehrte Logik aus – wir befassen uns gerade mit der Frage des Krieges.
Deswegen sollten wir politisch, einheitlich und systematisch denken. Die Werte werden uns nicht helfen, man kann auf sie zu jedem Zeitpunkt verzichten. Doch es handelt sich um unsere Existenz.

Schmitt zufolge ist die Unterscheidung von Freund und Feind eine endliche Realität. Freund und Feind sind Gegner in der endlichen Realität – das sind gegeneinander kämpfende Seiten. Wir fügen dem hinzu, dass es in der Politik um die Einbeziehung von möglichst vielen Anhängern und die Ausklammerung der Feinde geht. Es kann nicht eine gemeinsame Wirtschaft mit Feinden geben. Siehe Thema Sanktionen.

Doch etwas geschah im politischen Aspekt, als sich herausstellte, dass die Gegner kämpfen werden. Der Krieg als eine systematische Einheit (also Politik) wird von einer dritten Kraft organisiert, die Feinde und Freunde nach eigenem Ermessen kreiert. Diese Kraft beschäftigt sich nicht mit der Klassifizierung. Auch wenn diese Bezeichnung verwendet wird, handelt es sich de facto um eine Lüge. Die grundlegende Erfahrung beim Erhalten von Über-Gewinnen durch eine dritte, neutrale Seite, die über den Freunden und den Feinden steht, erhielten im 20. Jahrhundert die USA während der zwei Weltkriege. Diese Erfahrung bildete ihre Politik. Die eigene Teilnahme der USA an diesen Kämpfen war minimal gegenüber den Gegnern. Gleich nach der Niederlage von Hitler-Deutschland wechselten die USA auf Deutschlands Seite. Danach haben sie ihre Technik perfektioniert und entkamen der Rolle eines Freundes und, was wichtiger ist, der Rolle eines Feindes der Sowjetunion und später Russlands.

Die anderen zu einem Krieg zu zwingen, ist nur in der Welt einer Übermacht möglich. Ohne auf die Details der Entwicklung  dieses Begriffs von Hobbes über Nietzsche bis Sinowjew  einzugehen, gehen wir davon aus, dass bei der Übermacht viele Staaten einem Staat unterordnet sind, ohne sie in ein einheitliches System politisch und juridisch aufzunehmen. Die Welt der Staaten (es gibt keine andere Welt) wird vom Souverän als Handlungsspielraum für die Anwendung seiner Übermacht bezeichnet, um die „Sicherheit“ zu gewährleisten und den „Krieg aller gegen alle“ zu stoppen. Das Leviathan-Konzept wird nicht auf Individuen-Menschen sondern auf die Individuen-Staaten angewendet. Für die Deutung eines Staates als Individuum ist das Prinzip der „territorialen Integrität“ notwendig. In der historischen Realität sind die Staaten teilbar. Doch in der Realität der Geschichte gibt es keinen Krieg aller gegen alle. Alles ist immer sehr konkret. Doch weil der Krieg geführt wird und der Souverän hineingezogen ist, wird die Formel „Krieg gegen den Feind von allen“, das „globale Übel“ genutzt – Terrorismus und Terroristen, globale Verbrecher (Außenseiter-Staaten). Das sind diejenigen Staaten, die das vom Souverän festgeschriebene Gesetz nicht anerkennen.

In einer solchen Weltordnung gibt es natürlich kein Völkerrecht. Das Völkerrecht als Rechtsform blieb im 19. Jahrhundert und wurde durch die Weltkriege im 20. Jahrhundert endgültig beerdigt. Damals hieß es „europäisches Konzert“ – also die Einwilligung vieler Staaten der europäischen Zivilisation in die Kriegsregeln. Heute gibt es keine solchen Regeln, eine Einwilligung ist nicht nötig. Der letzte Akt des Völkerrechts waren die Nürnberger Prozesse. Heute ist so etwas kaum möglich, zumindest jetzt. Statt der Realität des Völkerrechts gibt es internationale Organisationen, die die Rolle der Mittel des Souveräns mit der Übermacht übernahmen.

Das politische Ziel der USA ist, Russland zum Kampf gegen die Ukraine zu bringen. Es wäre besser, wenn Russland angreift. Dafür wurde bereits vieles getan. Ein Angriff der Ukraine auf die Krim wird ebenfalls als Variante betrachtet, die jedoch nicht so wahrscheinlich ist. Dabei sollen die USA oben bleiben und die Rolle des Freundes bzw. des Feindes vermeiden. Auch Europa, die EU-Länder sollen so vorgehen. Die Welt der Sicherheit, die von den USA garantiert wird, kann dann schnell an Wert gewinnen. Zu Verbrechern und Außenseitern werden beide Seiten. Jedenfalls die Russen. Weil sowohl in Europa als auch in der ganzen Welt (beispielsweise in Malaysia) man nicht zwischen Russen und Ukrainern unterschiedet. Das würde bedeuten – wilde Russen gingen aufeinander los. Man muss sie dann trennen und in den Zimmern für wilde Patienten unterbringen. Es wurden die Taliban großgezogen – jetzt werden sie vernichtet. Es wurde Saddam großgezogen – dann wurde er gehängt. Es wurde der ISIL großgezogen – jetzt wird er bombardiert. Nicht so gut? Doch sie selbst (Europa, darunter West- und Osteuropa, und Russland) können nur Weltkriege entfachen. Deswegen ist es besser, sich unterzuordnen. Doch wenn man die Ukraine betrachtet, glaubt man nicht daran. Für uns wird es sicher nicht besser sein. Bei einer solchen Entwicklung wird es uns überhaupt nicht geben.

Wir sollten nicht gegen die Ukraine kämpfen. Nicht weil wir „Brüder“ sind (das störte niemanden), sondern weil dies keinen politischen Sinn hat. Aus der Ukraine wird der Feind für Russland kreiert, doch das ist ein gefälschter Feind. Doch wir haben innerhalb von 20 Jahren diesen Prozess nicht verhindert. Man kann kaum etwas mit Krieg ändern. Eher umgekehrt – die Umgestaltung der Ukraine durch den Souverän der Übermacht beenden. Man darf nicht nachgeben, was Putin bislang zeigt.

Doch falls man jedoch kämpfen muss, kann unser politisches Ziel nur das Zwingen der USA bzw. Europas sein, die Position des Feindes oder des Freundes einzunehmen. Das ist ihre schwache Stelle. Man kann kaum daran glauben, dass die USA Freund sein können. Doch sie wollen auch nicht der Feind werden. Bei beiden Varianten verlieren sie die Rolle des Souveräns der Übermacht. Dann würde alles zusammenbrechen – US-Dollar und die Übermacht über Europa (und über uns). Sollen sie dann lieber Feind sein. Wir werden das überleben und werden stärker. Die europäischen Länder (nicht alle) können unsere Freunde sein, das brauchen wir. Doch man muss sie in dieser Funktion noch erziehen. Das ist möglich. Die USA können auch nicht Freund für sie sein. Die militärischen Ziele sollen hier nicht besprochen werden. Doch selbst die Kriegsgefahr (eine absolut reale und wachsende Gefahr) stellt diese politische Aufgabe.

Wollen wir mit dem Blödsinn über die Russische Welt aufhören. So etwas gibt es nicht. Es gibt Russland – Emigranten, Diaspora, Exil. Russen sind eine politische Einheit. Wo es keine Staaten russischer politischer Nation gibt, dort gibt es auch keine Russische Welt. Dort gibt es überhaupt keine Russen – nur russischsprachige Bevölkerung. In der Theorie könnte es einige solche Staaten geben. Ist Weißrussland ein Staat  russischer politischer Nation? Wie die USA, Großbritannien, Australien, Kanada, Neuseeland die Staaten der anglosächsischen politischen Nation sind? Oder ist Weißrussland nicht so ein Staat? Welche Seite würde es bei der Frage Krieg und Frieden einnehmen? Was soll man dann über die Ukraine sagen. Noworossija kann und wird zu einem Staat, doch in der politischen Realität ist das noch weit weg. Die Frage nach einer Erweiterung Russlands ist sicher eine Frage nach Krieg und Frieden. „Demokratie“ und das „Recht auf Selbstbestimmung“ würden dabei nicht helfen.

Wollen wird mit dem Blödsinn über „Eurasiertum“ als eine neue Ideologie für Russland aufhören. Nicht nur weil wir im Prinzip keine Ideologie brauchen, wir sind sie erst vor kurzem losgeworden. Wir brauchen die Politik, richtige politische Ziele und das Verständnis davon durch die Bevölkerung. Doch es gibt kein Eurasien als Staat, als ein politisches Subjekt. Es soll die Politik Russlands in der Asiatisch-pazifischen Region geben. Wir brauchen dort Freunde. Kann China dazu gehören? Ist das realistisch? Ist das notwendig?

Lasst uns über reale Dinge bei der Frage Krieg und Frieden nachdenken.