Die Ernennung von John Tefft zum US-Botschafter in Russland wurde als ein möglicher Schritt zur Destabilisierung der Situation in Russland und in Eurasien wahrgenommen. Im Unterschied zu Michael McFaul gilt Tefft als Praktiker und Kurator der Bunten Revolutionen im postsowjetischen Raum. Wird in diesem Zusammenhang ein neuer Versuch einer Bunten Revolution in Russland unternommen und, wenn ja, in welcher Form? Die Antwort auf diese Frage ist ohne Analyse und Verständnis der Evolution der Technologie der Bunten Revolutionen, die nicht mehr gewaltlos sind, und medialen Instrumenten des modernen humanitären und Informationskrieges unmöglich.

Globaler Kontext: Bunte Revolutionen sind keine friedlichen Proteste mehr

Das Phänomen der Bunten Revolutionen tauchte in der politischen und öffentlichen Tagesordnung in Russland mit der Orange-Revolution in Kiew 2004 auf. Es war die Orange-Revolution, die in der russischen Gesellschaft die Gestalt einer bunten Revolution annahm und das Verhalten zu dieser Erscheinung für lange Zeit prägte.

Obwohl es Bunte Revolutionen auch vor (Rosenrevolution in Georgien 2003) und nach der Orange-Revolution gab (zwei Revolutionen in Kirgisien – Tulpenrevolution 2005 und die Volksrevolution 2010), war gerade Kiew der Ausgangspunkt für die Anwendung neuer politischer sozialer und humanitärer Technologien. Damals bildete sich die Vorstellung von einem universellen Charakter und der Macht der Bunten Revolutionen heraus.

Der gewaltlose, sanfte Charakter der Bunten Revolutionen stimmt seit langem nicht mehr. Die symbolischen Bezeichnungen der Protestaktionen wurden zu einer Formsache. Oft haben Revolutionen keine einheitliche Identifikationsform.

Die Revolutionen 2010/2011 in Tunesien und Ägypten haben mehrere Bezeichnungen – Jasmin-, Dattel-, Hunger-, Baguette-Revolution in Tunesien und Melonen-, Twitter-, Jugend-, Senf-, Urlaubs-, Pyramiden, Dattel-Revolution in Ägypten. Medien verwechseln diese Bezeichnungen, was das zynische Verhalten zu diesen Bezeichnungen seitens der Auftraggeber zeigt.

Falls man die Geschichte der Bunten Revolutionen betrachtet, wird ihr radikaler Charakter offensichtlich (beispielsweise die Versuche der Bunten Revolutionen in Weißrussland 2006 bzw. Moldawien 2009). Die Letzte fand nicht in der Ukraine beim Euromaidan, sondern in Thailand statt.

Die Proteste in Thailand entwickelten sich nach dem klassischen Szenario der Bunten Revolutionen. Die Proteste in Bangkok 2009 erinnerten an die Orange-Revolution in Kiew 2004. Doch ab 2013 kam es in Bangkok zu ernsthaften Zusammenstößen in den Straßen, die Eskalation des Konflikts wurde nur durch einen Putsch durch das Militär gestoppt.

Die symbolische und Informationsverpackung bleibt auch ein wichtiges Element der Berichterstattung in Medien. Damit kann ein banaler Staatsstreich in eine attraktive Form eines edlen öffentlichen Protestes umhüllt werden. Zudem legt die aktive russische Gesellschaft (kreative Klasse, Intellektuelle, Geschäftskreise und Elite) beim fehlenden Verständnis eines realen Inhalts viel Wert auf die äußere Form.

Vorbereitungsetappe: Informationskrieg

Den Bunten Revolutionen geht eine wichtige Vorbereitungsetappe voraus, wobei im Bewusstsein der Gesellschaft ein negatives Bild von den amtierenden Behörden geschaffen werden soll. Die Vorbereitungsphase hinsichtlich Russlands hat bereits begonnen. Sie hängt mit dem globalen Kontext und den Prozessen zusammen, in denen Russland als ein alternatives Machtzentrum erscheint.

Das Beispiel einer offenen Phase des Informationskriegs ist der Absturz der malaysischen Boeing über der Ukraine. In den westlichen Medien wurden Russland und persönlich Wladimir Putin lange vor Bekanntgabe irgendwelcher Ergebnisse einer offiziellen Untersuchung kategorisch für die Tragödie verantwortlich gemacht. Es wurde das Bild eines Mörders und Feindes geschaffen.

Das Ziel der modernen Medientechnologien ist die Dämonisierung des Gegners und seine Entmenschlichung. Der Krieg gegen das Übel rechtfertigt doch den Krieg und seine Opfer.

Ein weiteres wichtiges Ziel des Informationskrieges ist die Vernichtung und die Sperrung einer kritischen Wahrnehmung von Informationen vom Massenpublikum. Für die Schaffung eines unkritischen und fragmentarischen Bewusstseins sorgen die Medien. Darauf stützen sich die so genannten Netz-Fälschungen, die die Nachrichten ersetzen.

So sind die Reportagen der westlichen Medien aufgebaut, beispielsweise das „Bild“ des Südossetien-Krieges, als die Videos der auf Zchinwal schießenden georgischen Grad-Systeme als Beschuss Georgiens durch die russische Armee dargestellt wurden. Während des Krieges in Libyen mussten Medien spezielle „Bühnenbilder“ in Katar bauen. Fast alle ukrainischen Nachrichten beruhen auf Fälschungen und Manipulationen.

Trotz der Primitivität dieser Methoden, glaubt das Massenbewusstsein daran. Fotos und Videos werden mit entsprechenden Überschriften verzerrt. Das hat für die heutige Gesellschaft den Effekt eines dokumentarischen Beweises. Das Schlimmste ist jedoch, dass die Medien-Gestalt ein realer Anlass für ein Eingreifen und einen Krieg sein könnte.

Die Bunten Revolutionen bleiben kommunikativ effektiv, solange die Gesellschaft die politische, soziale und wirtschaftliche Realität durch einseitige Bilder wahrnimmt, die ihr über ein kompliziertes System des sozialen Designs aufgedrungen werden. Die Trübung in der Gesellschaft wird dank einem niedrigen Niveau des kritischen Denkens und dank sozialer Ungerechtigkeit erreicht, die als Grundlage der Proteste genutzt werden.

Vom Karneval zum Pogrom

Die Destabilisierung der Situation in Russland hat einen globalen Charakter. Der Angriff wird auf die Linie der Eurasischen Wirtschaftsunion versetzt (Weißrussland und Kasachstan) sowie durch die Destabilisierung der Situation in den BRICS-Ländern. Zu den Vermittlern werden die Medien und ein Teil der Elite, weil das Verständnis der oben beschriebenen Technologien äußerst wichtig für die Analyse der kommenden Ereignisse ist.

Die Zerstörungstechnologien, die nach 2014 umgesetzt werden, können in zwei Teile, genauer gesagt, zwei Etappen gegliedert werden, die nicht unbedingt kontinuierlich sind und einander ergänzen.

1)    Die USA handeln gerne schematisch, solange ein erfolgreiches Szenario nicht völlig ausgeschöpft ist. Tefft war 2005/2009 Botschafter in Georgien und 2009/2013 in der Ukraine. In diesem Zusammenhang wird die Wiederbelebung der Weißband-Revolution und des Bolotnaja-Szenariums 2011/2012 noch einmal versucht. Es kommt erneut zu Karneval-Protesten. Zudem werden Projekte wie kreativer Separatismus, Protest-Performance, Künstleraktionen wiederbelebt.
2)    Wie die oben beschriebene Praxis der Bunten Revolutionen zeigt, hatten die Symbole der Proteste keine Bedeutung. Die Zusammenstöße mit der Polizei in Moskau 2012 waren nur eine Episode der Protestaktionen. Jetzt werden sie zum Ziel. In den Vordergrund treten nicht kreative Symbolik und Design, sondern die wildesten Formen der negativen Identität.

Der Schwerpunkt seitens der Kuratoren und Technologen der Staatsstreiche wird heute auf Nationalisten, Radikale, Extremisten und Terroristen gelegt. Der Protest gegen die soziale liberale Politik der Elite kann ebenfalls gegen den Staat gerichtet werden.

Der Fall Ukraine zeigte zwar realistisch, was geschieht, wenn der Staat zerfällt (das sind nicht die fernen Jugoslawien und Libyen), doch das Hauptproblem besteht darin, dass die soziale und politische Stabilität von äußeren Faktoren gesichert wird. Der innere „Faktor des Verständnisses“, wie ihn Alexander Sinowjew nennt, der die reale Stabilität der Gesellschaft  bei äußeren Herausforderungen und Manipulationstechnologien sichern soll, bleibt im embryonalen und unsystematischen Zustand.