Es ist offensichtlich, dass der Diskurs des Westens in Bezug auf die Ereignisse in der Ukraine und die Rolle Russlands eine Lüge ist. Zumindest aus russischer Sicht. Was soll man in dieser Situation tun? Was bedeutet diese Situation?

Eine logische Reaktion besteht in den Versuchen, den Westen zu einer anderen Meinung zu bringen – Ihr irrt euch! Ihr habt nicht Recht! Oder zumindest das Zielpublikum des Westens – die Welt – zu einer anderen Meinung zu bringen. Oder wenigstens die Ukraine.

Doch selbst die Helden aus den Reportagen aus den Volksrepubliken Donezk und Lugansk – wenn sie keine Aufständischen sind – wiederholen ständig eine Formel: Warum schießt unsere Regierung auf uns? Warum lässt uns unsere Regierung nicht in Ruhe? Wir wollen doch ein friedliches Leben! Das bedeutet, dass unsere Regierung für die Betroffenen und die Opfer trotzdem in Kiew ist. Oder noch in Kiew? Vielleicht. Doch Tatsache ist, dass die Menschen im Südosten der Ukraine die Ereignisse nicht verstehen, obwohl sie vor ihren Häusern stehen.

Soll man die Lüge anfechten?

Jeder Streit soll von einer dritten Seite, dem Gericht, eingeschätzt werden. Bei einem Streit wird man automatisch zu einer Seite. Das bedeutet, dass unsere Kenntnisse darüber, was wir machen, von uns als umstritten anerkannt werden. Bekommen wir etwas oder verlieren wir dabei? Gewinnt oder verliert die Seite, die weiß, dass sie lügt?

Wer sind die Richter?

Jedes Gericht ist eine Machtinstanz. Es besitzt die endgültige Rechtshoheit bei einem Konflikt. Die Beweise (jegliche Beweise, darunter die Expertise) haben als einzelne Elemente keine Kraft. Sie bekommen ihre Kraft nur durch die Einschätzung durch das Gericht. Das Gericht (Richter und Geschworene) beurteilt nach seinen eigenen Kriterien. Wer wird uns beurteilen? Was soll man tun, wenn die Positionen der Richter und der Gegenseite übereinstimmen?

Die Situation mit logischen Instrumenten sieht nicht besser aus

Die Logik, die von Aristoteles nach Sokrates und Platon geschaffen wurde, dient nur der Wahrheit. Falsche Äußerungen sind für die Logik nicht interessant. Der Logik zufolge kann aus einer falschen Aussage alles Mögliche entwickelt werden. Die Lüge ist heutzutage eine entwickelte Struktur. Sie wurde von Sophisten unterrichtet, gegen die Sokrates war. Sophisten verdienten sehr gut.

Mit wem soll man streiten?

Die moderne Lüge hat keine Urheber wie bei der altgriechischen Lüge. Die Erfindung der Propaganda im 20. Jahrhundert als eine moderne Version der Lüge (Sophismus) basiert auf der Beseitigung des Urhebers, auf seiner Ermordung. Dieses symbolische Ermorden rechtfertigt und ermöglicht physische Ermordungen von denjenigen, die etwas Falsches sagen. „Gott ist tot“, sagte Nietzsche. Wie kann dann der Urheber überleben? Nietzsche sagte weiter –„Die Wüste wächst“. Sie wird mit dem Text ohne Autor gefüllt. Mit einer philosophischen Begründung davon befasst sich der gesamte Postmodernismus. Ein Text bringt einen weiteren Text zur Welt. Solch ein Text muss nicht unbedingt verstanden werden – es gibt hier doch keinen, der etwas sagen will.

Weil es keinen Urheber gibt, gibt sich auch niemand für ihn aus

Doch die moderne Propaganda stellt immer auch eine falsche Figur des Urhebers vor. Solch eine Propaganda wird zu PR. Man kann sich über Jennifer Psaki  (US-Außenamtssprecherin, A.d. R.) lustig machen. Das ist ein negativer Aspekt. Ein positiver Aspekt – beispielsweise ein Milliardär, der an der Spitze einer politischen Partei steht, und in seinem Blog einen Text veröffentlicht, der von einem angeheuerten Ghostwriter verfasst wurde. Dabei wurde ihm die Aufgabe von einem Redakteur gegeben. Oder ein Gentleman veröffentlicht als Wirtschaftsexperte unter seinem Namen einen Text, der von einer anderen Person geschrieben wurde u.s.w.

In einem Streit kommt es nur zur Wahrheit, wenn beide Seiten das anstreben. Es ist klar, dass es dazu nicht kommen wird. Wie soll man das tun? Was soll man mit der Ukraine tun?

Heidegger zufolge schadet der Streit einer denkenden Person, weil man in diesem Fall nur für den Streit selbst zu denken beginnt. Man soll sich Gedanken über die eigene Position machen, ihre Grundsätze problematisieren, sie erweitern und vertiefen.

Ein ausbleibender Streit bedeutet nicht Schweigen

Erstens

Weil wir so radikal belogen werden, was wir ohnehin wissen, sollte man sich vielleicht daran erinnern, was uns über die anderen Dinge gesagt wurde (und an die wir glaubten)? Was wir gar nicht bzw. nicht besonders gut wussten? Das, weshalb wir zur Perestroika griffen, die Sowjetunion zerfallen ließen, auf die Souveränität verzichteten, die Wirtschaft und die Bildung zerstörten? Es hat selbstverständlich keinen Sinn, zur Vergangenheit zurückzukehren. Das ist unmöglich. Doch diese Propaganda funktioniert auch heute. Sie gehört der Zukunft und nicht der Vergangenheit an. Wenn wir sagen, dass wir den Kalten Krieg verloren haben, bedeutet das nur, dass wir den Krieg der Ideologien verloren haben.

Zweitens

Unsere Ideologie brach zusammen. Es gibt nicht mehr die Religion des Kommunismus. Gott sei Dank. Es gibt jedoch den realen Sozialismus – er ist umfassend und global auf dem Vormarsch. Wir wissen darüber mehr als die anderen. Doch diese Kenntnisse können im Rahmen der Religion der Demokratie nicht genutzt werden. Das bedeutet nicht, dass man über die Religion der Demokratie streiten muss (wieder einmal Streit). Man kann über die Religion nicht streiten. Wir streiten auch nicht. Wir wiederholen nur, dass die Demokratie toll ist und wir sie selbstständig verstehen und aufbauen werden. Das hatte bereits Surkow  erfunden – die „souveräne Demokratie“. Es ist ein Ausweichmanöver. Doch es funktioniert nur kurzfristig. Die Zeit geht inzwischen zu Ende.

Drittens

Weil man mit uns bei großen Themen nicht streiten kann, geht die westliche Propaganda (es gibt auch keine andere) zu kleineren Themen über – der Verzerrung von Tatsachen. Es stellt sich heraus, dass es diese Verzerrung immer gab und sie das Wesen bildete. Doch die Ideologie darf nicht als Fundament unserer Souveränität (sie ist äußerst brüchig) aufgebaut werden, sondern es muss auf Ideologie und die westliche Propaganda im Ganzen verzichtet werden. Souveränität erlangt man nur aus der Geschichte. Wir sollten sie kennenlernen. Zudem ergibt sich die Souveränität aus den Gesetzen des Lebens. Wir sollten sie ebenfalls kennenlernen. Das war’s.

Was soll man mit der Ukraine tun?

Wollen wir zuerst eine adäquate Einschätzung des Geschehens formulieren, weil wir die Tatsachen kennen (darunter auf Kosten des Lebens von Korrespondenten).

Warum reden wir immer vom Faschismus? Das stimmt doch nicht. Das bedeutet, dass auch wir von ihnen so bezeichnet werden können.

Faschismus ist eine konkrete historische Erscheinung. Die massenhafte Vernichtung von Menschen ist eine allgemeine historische Erscheinung. Es gibt auch mehrere andere Varianten.

Der Faschismus war souverän und gut entwickelt gewesen. In der Ukraine gibt es nur unerfahrene Abwickler.

Faschisten unterschieden sich von denen, die sie vernichteten. In der Ukraine vernichten sich Menschen gegenseitig, die sich von einander nicht stark unterscheiden.

Doch aus soziologischer Sicht sind keine Unterschiede notwendig. Jonathan Swift stellte einen sozialen Faktor fest – man kann darum kämpfen, von welcher Seite das Ei geköpft werden soll. Das ist auch klar. Der Kampf um die Macht erfolgt in einer einheitlichen Gruppe. Es handelt sich nur um die Frage der Macht.

Die Macht kann auch außerhalb des Konfliktes sein

Ein bekanntes soziologisches Experiment basiert auf der Trennung von Freiwilligen in Gefangene und Aufseher. Zuerst lachen alle. Danach sollen sie ihre Rolle spielen. Nach einigen Tagen gibt es bereits Tote. Denken Sie, dass die Behörden die Aufseher sind? Nein, sie haben sie auch unterworfen. Die Behörden sind die Organisatoren eines Experiments. Man kann darüber Berichte lesen oder sich den deutschen Film „Das Experiment“ ansehen.

Womit sind die Menschen in der Ukraine konfrontiert?

In der Nationalgarde gibt es vielleicht faschistische Fans. Auch unter den Fans der Fußballmannschaft Dynamo Kiew oder der Tolkien-Rollenspiele (im Rechten Sektor sind die Teilnehmer noch unterschiedlicher). Doch das bedeutet nicht, dass Donezk und Lugansk von Fußballfans und Elfen zerbombt werden. Die Einwohner der Ukraine sind nicht mit Faschismus konfrontiert, sondern mit einer gelenkten Demokratie. Sie bewegt jede Gruppe der Menschen zu dem Gedanken, dass sie alles machen kann, was sie will – im Rahmen der Gesetze natürlich. Doch die Gesetze lösen sich schnell auf und die Prinzipien bleiben. Die Importeure der gelenkten Demokratie wissen genau, wie das funktioniert. Für diese Demokratie sollen wir alle sterben. Und sie werden bleiben.

Was den Faschismus in der Ukraine betrifft, wollen wir den Feind anprangern. In der Tat haben wir jedoch Angst, die Wahrheit zu sagen. Und wir sprechen nur über die Söldner.